Im beliebtesten Metal-Schuppen der Schweiz, dem Z7 in Pratteln, gaben sich Ende Mai 2015 die Thrash-Metal-Urgesteine Exodus und Testament die Ehre. Obwohl sie in der Szene genauso respektiert sind wie Metallica, Megadeth, Slayer und Anthrax, haben sie nie den grossen Erfolg erleben dürfen und das obwohl die von Kirk Hammett und Schlagzeuger Tom Hunting gegründeten Exodus für viele als die eigentlichen Erfinder des Metal-Subgenres gelten, das Anfang der 80er Jahre in der Bay-Area an US-Westküste ihren Anfang nahm und bald zu einem weltweiten Siegeszug antrat. “Exodus” wurden von Kirk Hammett mitgegründet, der dann nach dem Rauswurf eines gewissen Dave Mustaine (der bekanntlich Megedeth gründete) zu Metallica ging. Ein paar Jahre später stiess Steve Souza von Testament (die damals noch Legacy hiessen) zu Exodus, sein Nachfolger war ein gewisser Chuck Billy. Und Exodus Gitarrist Gary Holt ist inzwischen festes Mitglied bei Slayer und tritt dort in die grossen Fussstapfen des 2013 verstorbenen Jeff Hannemann. Also alles in allem an diesem Abend ein grosses Klassentreffen und die zwei Pioniere des Thrash-Metals liessen das Z7 bis in die Grundmauern beben!
Old-School-Thrash-Enthusiasten kamen an diesem Abend völlig auf ihre Kosten. An der Garderobe manches Fans konnte man durchaus meinen, zurück ins Jahr 1986 versetzt worden zu sein. Die Melodic-Metal-Band “Lotrify” aus Baden hatte bereits früher als angekündigt gespielt und so haben leider etlichen Besucher, einschliesslich des Autors dieser Zeilen, den Auftritt verpasst. Nach einer Umbaupause wurde es dann um einiges härter und um 20:15 Uhr nahm unter grossem Jubel Exodus-Drummer John Hunting hinter seinem Kit Platz und los gings! Dies leider ohne den langjährigen Gitarristen Gary Holt, der wegen Verpflichtungen bei “Slayer” von Kragen Lum von “Heathen” ersetzt wurde. Der deutlich gealterte und verbraucht wirkende Steve Souza, der vor rund einem Jahr in die Band zurückkehrte, eröffnete mit “Black 13” vom aktuellen Album “Blood in, Blood out” den Abend. Die fünf Herren sind richtig laut, aber weder der Sound noch das Licht setzt die Band zu Beginn gekonnt in Szene. Dumpf ist der Klang und das Licht ist kaum wahrnehmbar. Die meisten Fans liessen sich davon aber nicht irritieren und feierten eine Metal-Party, die aber noch ordentlich Luft nach oben hatte. Auch bei den Thrash-Krachern “Iconoclasm” und “Children Of A Worthless God” sitzen die Riffs zwar punktgenau und die Band wirkt bemüht, selbst Souza, der gestenreich versucht, die Stimmung weiter anzuheizen, doch irgendwie springt der Funken nicht über.
Bei “Salt In The Wound” wurde stolz erwähnt, dass Kirk Hammett eine Solo mit eingespielt hat, beim groovigen “Blacklist” aus dem 2004er-Comeback-Album “Tempo Of The Damned” schien das Eis dann endlich im beinahe gefüllten Z7 zu brechen. Die Tontechniker hatten auch an einigen Reglern gedreht und die Band lief nun erfreulicherweise, wenn auch etwas spät, richtig warm und drückte gegen Ende mit “Body Harvest” nochmal richtig aufs Gaspedal. Das Publikum dankt es nach einer guten Stunde Thrash-Party mit leidenschaftlichem Applaus. Ein schöner Mix über alle Schaffenswerke, was das Publikum mit “Circle Pits” und einer “Wall of Death” verdankte. Die Zeit mit den dienstältesten und einflussreichsten Vertretern des Thrash-Metals war hart und verging wie im Fluge. Die Umbaupause verspach Grosses für den Auftritt von Testament. Man sah ein metallisches Bühnenbild mit riesigem Banner, Stroboskop-Scheinwerfern und zwei beleuchteten Testament-Skulls im Hintergrund. Alle dies sorgte gleich von Anfang an für die passende Atomsphäre. Das Licht ging aus, Sirenengeheul erklang, rote Spotlights huschten durch die Halle und nach und nach betraten Gene Hoglan (Drums), Steve di Giorgio (Bass), Alex Skolnick (Guitars), Eric Peterson (Guitars) und zu guter Letzt auch Chuck Billy (Vocals) unter frenetischem Jubel die Bühne.
Die Band war von Beginn an voll da, schon die freudig-entspannte Mimik der Musiker sprach eine gänzlich andere Sprache als bei Exodus und der Sound war gut gemischt und ging voll auf die Zwölf. Chuck Billy hatte wie immer seinen Mikro-Tomahawk in der Hand und ein richtig fettes Grinsen im Gesicht. Den ganzen Auftritt über hielt er sich an seiner eigenwilligen Mikro-Halterung fest und seine euphorische Imitation des Gitarrenspiels zeigt, dass Chuck voll in seinem Element ist. Auch die anderen Musiker stehen Billy in nichts nach, Langzeit-Bandmitglied und Hauptsongwriter Eric Peterson schreddert seine Signature-Dean-Z-Gitarre lässig an der Hüfte, während sein Kollege Alex Skolnick seine fast klassisch anmutende ESP oft und mit gelassener Geste in die Luft reckte, während seine Finger über die Saiten rasten. Die coolste Sau des Abends war aber ohne Zweifel Bassist Steve DiGiorgio mit seinem fast exzentrisch geformten, bundlosen Thor-Bass, mit der er wie einer Waffe herumfuchtelte und auf dem er schonungslos herumhämmerte. Seine Posen sind die coolsten und das nicht, weil er es nötig hätte, um mangelndes Können zu kompensieren. Im Gegenteil, hier stehen mit DiGiorgio, Schlagzeuger Gene Hoglan, Skolnick und Peterson einige der derzeit besten Metal-Musiker gemeinsam auf der Bühne. Und das merkt man!
Die Chemie der Bandmitglieder und das Zusammenspiel stimmt und die fünf Herren haben sichtlichen Spass an ihrem Auftritt – was das Publikum so richtig mitreisst. Schon nach wenigen Minuten bei “Rise Up” gröhlten die Fans ausgelassen den Refrain mit und der Schallmesser an der Wand zeigte teilweise über 100 Dezibel an. So muss das sein bei einem guten Metal-Konzert! Testament hatte für die “Dark Roots of Earth Tour II” angekündigt, Material von ihren drei ersten Alben “The Legacy” (1987), “The New Order” (1988) und “Practice What You Preach” (1989) zu spielen. Leider wurden es aufgrund der knappen Zeit dann nicht soviele Tracks und so war die Setliste ähnlich wie die des Livealbums “Dark Roots Of Thrash”. Viele Thrash-Metal-Höhepunkte aus den Anfangstagen der Band gab es neben einiger Perlen vom aktuellen Album dennoch zu feiern. Die Titelsongs von “The New Order” und “Practice What You Preach” zelebrierte das Quintett genauso wie das atmosphärische, aber nicht weniger harte “Trial By Fire”. Abgerundet wurde das rund 85-minütige Set mit weiteren Thrash-Krachern wie “First Strike Is Deadly” oder “Souls Of Black” vom gleichnamigen Album.
Auch Testament bot einen tollen Mix aus allen Epochen der Band. Die Performance auf der Bühne war im Gegensatz zu Exodus gigantisch und die Spielfreude jedem einzelnen anzumerken. Die Zeit war viel zu schnell vorüber und der Abend wird bei jedem einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Beide Bands verstanden es schliesslich, ihre Fans gelungen und professionell mit einer guten Show zu unterhalten. Die Gesten und Posen wirkten bei Testament echter und weniger routiniert, die Energie kam nicht nur durch die Lautstärke, sondern vor allem durch den glaubwürdigen und energiegeladenen Spass am Auftritt von Billy, Peterson, DiGiorgio und Co zustande. Bei der Thrash-Urgewalt aus San Francisco hatte man zu Anfang den Eindruck, dass die Herren ihr Set möglichst schnell hinter sich bringen wollten, damit man sich Backstage anderem widmen konnten. Dennoch überzeugten Exodus mit ultrahartem und dennoch groovenden Midtempo-Thrash mit irrem Tempo und brachiale Riffs. Auch “Neu-Alt”-Shouter “Zetro” Souza hat sich wieder hervorragend in die Band integriert.
Setlist Exodus:
- Black 13
- Blood In, Blood Out
- Iconoclasm
- Children of a Worthless God
- Body Harvest
- Blacklist
- Bonded by Blood
- Strike of the Beast
- The Toxic Waltz
Setlist Testament:
- Rise Up
- Native Blood
- More Than Meets the Eye
- The Preacher
- First Strike Is Deadly
- Souls of Black
- Eerie Inhabitants
- The New Order
- Trial by Fire
- Into the Pit
- Practice What You Preach
- D.N.R. (Do Not Resuscitate)
- 3 Days in Darkness
- Disciples of the Watch
Zugabe:
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