Die am Mittwoch im Naturhistorischen Museum Bern eröffnete Sonderausstellung «Rock Fossils – Ja, es ist Liebe!» lüftet eine heimliche Affäre der Paläontologie: Die Leidenschaft für harte Rock Musik. Nein, bei der Ausstellung werden nicht die versteinerte Überreste dahingeschiedener Rock-Grössen ausgestellt, sondern Fossilien, die allesamt den Namen bedeutender Rock- und Metalbands tragen. Am letzten Mittwoch wurde eine bislang unbekannte Seeigel-Art auf den Namen «Paracidaris eluveitie» getauft und mit einem Akustik-Konzert der Schweizer Folk-Metaler gewürdigt.
Als Kind besucht man das Naturhistorische Museum meist in Begleitung von Mitschülern und Lehrperson, dann macht man meist eine längere Pause bis später, wenn man selber Kinder hat, man sich wieder im Museum einfindet. Dazwischen, in der Zeitspanne zwischen Kindsein und Elternsein, ist ein Museumsbesuch eher selten. Wie lockt man Nicht-Kinder und Nicht-Eltern ins Naturhistorische Museum? In dem man diese Zielgruppe auf eine etwas andere Art und Weise anspricht, als ein Museum dies sonst tut. Es gibt Wissenschaftler, die neuen, bislang unbekannten Tierarten Namen geben, die einen Bezug auf den Fundort oder die Form haben. Und es gibt Wissenschaftler, die widmen eine neue Art ihrem liebsten Rockstar. Offenbar gibt es gerade in der Paläontologie eine Menge Wissenschaftler, die nicht nur Fossilien lieben, sondern mit derselben Leidenschaft der Rockmusik frönen – der harten Rockmusik. Die Sonderausstellung «Rock Fossils – Ja, es ist Liebe» präsentiert 36 Dinosaurier und andere Fossilien, welche die Namen von Bands oder Sängern aus der Rockszene tragen. So haben AC/DC, Lemmy von Motörhead, Ramones, Beatles, Rolling Stones und die Sex Pistols ihren Platz in der Erdgeschichte eingenommen.
Die Ausstellung wurde erstmals im Geomuseum in Faxe, Dänemark gezeigt. Dort sorgte sie für weltweites Aufsehen, gerade in der Metal-Szene. Das Naturhistorische Museum Bern (NMBE) hat die Ehre, die Ausstellung als erstes Haus ausserhalb Skandinaviens zu zeigen. Inzwischen hat die Ausstellung prominenten Zuwachs erhalten: Das kürzlich entdeckte Fossil eines Urahns der Flusspferde, das aufgrund seiner vollen Lippen nach Mick Jagger benannt wurde, wird zum ersten Mal mit einer Rekonstruktion und Skelett-Resten zu sehen sein. Eine substanzielle Erweiterung erfuhr die Ausstellung aber durch das Naturhistorische Museum Bern selbst: Die Paläontologen des NMBE widmen eine bislang unbekannte Seeigel-Art der Band Eluveitie. Bei «Paracidaris eluveitie» handelt es sich um einen 160 Millionen Jahre alten, kürzlich im schweizerischen Jura (Auenstein, AG) entdeckten Stachelhäuter, der mit den Ornamenten seines Gehäuses an die Verzierung keltischer Gegenstände erinnert. Beim Bandnamen Eluveitie handelt es sich ja bekanntermassen um die etruskische Form des keltischen Wortes Helvetios (Der Helvetier).
Die Ausstellung wurde stilvoll im Skelettsaal des Museums mit einem akustischen Konzert von Eluveitie eingeläutet, welche bei dieser Gelegenheit ihre «eigene» Fossilart erhalten haben, welche ihnen in Form eines Modells des Fossils übergeben wurde. Die Kombination von Museum und Metal-Konzert hat mich im Vorfeld äusserst gereizt. Doch funktioniert das mit einem Acoustic-Gig? Funktioniert Pagan-Metal ohne Metal? Nein, tut es nicht! Schade musste man einer eigentlich tollen Live-Band an diesem Abend beim Scheitern zu sehen. Eluveitie waren leider beim experimentieren zu wenig mutig. Nur die Elektrogitarren durch Acoustik-Klampfen zu ersetzen war definitiv zu wenig kreativ. Die ganze Dynamik ihrer Songs ging verloren, was blieb waren Klangbilder die immer gleich klangen. Nix mit wildem Haareschütteln und harten Gitarren! Für den Museums-Gig hat die achtköpfige Winterthurer Truppe ein Akustik-Set einstudiert und im Halbkreis sitzend präsentiert. Den Song «The Call Of The Mountains» hat Sängerin und Drehleiher-Spielerin Anna Murphy auf Berndeutsch gesungen, was speziell für diesen Abend einstudiert wurde und das Ganze noch etwas rausriss. Manchmal funktionieren Songs nur, wenn sie wie bei Eluveitie durch Gegensätze getragen werden – leider haben diese Gegensätze gefehlt.
Ausser dem 160 Millionen Jahre alten Seeigel, der fortan den Namen der erfolgreichen Folk Metaler tragen wird, bietet das Museum mit dem originalen «Metal Heart», das als Cover auf Accepts gleichnamigen 1985-er Album verewigt ist, noch ein ganz besonders Ausstellungsstück für Metalfans. Die Ausstellung «Rock Fossils – Ja, es ist Liebe!» dauert bis zum 31. Mai. Das Rahmenprogramm umfasst Konzerte, Vorträge sowie unkonventionelle Führungen. Letztere laufen unter dem Namen «Stage Dive» und bieten den Besuchenden die Möglichkeit, nicht nur in den wissenschaftlichen Aspekt des Themas einzutauchen, sondern auch passende Musik zu hören und an der Bar zu verweilen. Neben den Konzerten wird samstags und sonntags ein Plattenladen von Rathouse Records in der Ausstellung geöffnet sein.
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