Es denkt nicht, es fühlt nicht, es gibt nicht auf. Es folgt. Wobei es nicht jedem folgt, sondern immer nur einer einzelnen Person – und diese Person ist gerade Jay. Es folgt ihr, weil sie mit Hugh geschlafen hat. Sie hat sich bei ihm angesteckt. Es handelt sich um einen sexuell übertragbaren Fluch, den man nur wieder los wird, wenn man ihn auf eine andere Person überträgt. Immerhin war Hugh so nett, Jay nach dem Sex über den Fluch aufzuklären: Es kann die Gestalt dir bekannter aber auch unbekannter Personen annehmen, nur du kannst es sehen, es rennt nicht, aber es bewegt sich entschlossen auf dich zu – und wenn es dich zu fassen bekommt, dann bist du tot.
«It Follows» ist der zweite Spielfilm des amerikanischen Regisseurs David Robert Mitchell, dessen Debüt «The Myth of the American Sleepover» vor fünf Jahren in die Kinos kam. Die Low-Budget-Produktion erzählte vom Sommer einer Gruppe von Teenagern in den endlosen Vorstädten Detroits, ihren Sorgen und Nöten, der Suche nach Liebe. «It Follows» ist quasi die albtraumhafte inoffizielle Fortsetzung. Ein Coming-of-Age-Drama, in dem nicht nur das Erwachsenwerden den Figuren auf den Pelz rückt. Aber Mitchell lässt sich Zeit. Mit der ersten, in einem einzigen Rundumschwenk fast angeberhaft perfekt gedrehten Szene, setzt er den Ton. Ein Mädchen rennt im Morgengrauen erst panisch auf die Strasse, dann zurück ins Elternhaus, um wenige Sekunden später aus der Tür herauszustürmen, sich ins Auto zu setzen und mit quietschenden Reifen vor der unsichtbaren Gefahr davonzurasen.
Wie sonst nur John Hughes und Larry Clark besitzt Mitchell das seltene Talent, Jugendliche glaubwürdig als Jugendliche zu inszenieren, aber ihm gelingt es auch, mit Bildern Spannung zu erzeugen, in denen nicht einmal besonders viel passiert. Die Kamera ist unablässig dabei, die Umgebung abzusuchen, im Hintergrund vielleicht eine Person in den Fokus zu nehmen, so dass man als Zuschauer ständig mit der Frage beschäftigt ist, ob es sich einfach nur um einen harmlosen Passanten handelt oder den anhänglichen Dämon. Was nicht heissen soll, dass der Grusel überschaubar wäre. «It Follows» ist über weite Strecken geradezu nervenzerfetzend. Jay steuert zielsicher auf den Nervenzusammenbruch zu, was von dem fantastischen, ebenfalls deutlich an John Carpenter angelehnten Soundtrack von Disasterpeace bestens unterstrichen wird. Was kann man tun? Wohin soll man flüchten? Wie lautet die Lösung?